Hingucken oder die Rückseite der Erinnerung
Text von Claudia Heib

Die Rauminstallation der Berliner Künstlerin Susanne Pomrehn als Sideshow bei Exit Art Köln e.V.

 

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Unzählige Schnipsel an Bildausschnitten hängen an in den Raum gespannten Fäden, die wiederum zentral auf einen Sessel zulaufen. Die wie Spinnweben glitzernden feinen Nylonstränge erinnern bei der Vorderansicht an die Form eines Forum Romanums oder Collosseums, inmitten das Sitzmöbel. Der Stuhl hebt sich durch den Zug der Fäden vom Boden ab, da sie an der Decke befestigt sind. Eine raumgreifende Installation als Sideshow auf im Exit Art Köln e.V. mitten in Köln. Das Werk wächst und wächst, da die Berliner Künstlerin Susanne Pomrehn es vor Ort erarbeitet und entwickelt, bis die Installation nach drei Wochen fertig ist. Da sie auch mit dem arbeitet, was sich in der Räumlichkeit befindet, bekommt der Stuhl eine Bedeutung und wird in das Kunstwerk mit eingebunden. Der imaginativ darin Sitzende blickt raus mit dem Rücken zu den Bildern, die eigentlich allerhand mit ihm zu tun haben. Einmal schauen reicht für Besucher ohnehin nicht. Geht man um die Installation herum, erkennt man all die kleinen Details und es offenbaren sich die dahinterliegenden Intentionen der Künstlerin. Die Mehrdimensionalität der Rauminstallationen hat Konzept. Material und Bearbeitungstechnik sind bei Susanne Pomrehn immer eine runde Sache, sodass Form und Inhalt bei ihr eng zusammenwirken.
 

Der Arbeitstitel lautet: "Konstruktionen". Die Installation hatte schon viele mögliche Titel "Ich kann mich nicht erinnern." ist einer davon und allein durch diesen spürt man die Brisanz ihrer Auseinandersetzung mit neu abgezogenem und digitalisiertem Bildmaterial aus der Fotowerkstätte Hugo Schmölz, die das zerstörte Köln in den Jahren 1947/49 darstellt. Bei ihrem Konzept büßt alles seinen dokumentarischen und ästhetischen Charakter ein und verweist durch experimentelle Bearbeitung auf darüber hinausführende Botschaften.

 

Die alte Mär vom Foto als objektives Abbild der Wirklichkeit zu enttarnen, ist eine hehre Aufgabe. Die Berliner Künstlerin Susanne Pomrehn arbeitet schon sehr lange an ihrer dekonstruktivistischen Methode, wobei die Technik des Sezierens und Neucollagierens von Bildmaterial stets genau das beste Mittel zum Erreichen dieses Ziels ist. Erstmalig nimmt sie sich dieser Mär durch die Verarbeitung dieser speziellen Nachkriegsphotographie an. "Ich betrachtete immer und immer wieder die Photos, sah zunehmend die Bedeutung des Himmels und die der Fluchtpunkte im ästhetischen Bildaufbau der dargestellten Trümmerlandschaften.. Ach, Diese Fluchtpunkte, die aus den Bilden hinausführen. Wolltest Du eigentlich nur den Himmel sehen? Wie durch Zauber gelenkt, gleitet Dein Blick in den Himmel.
Die Fluchtpunkte führen den Blick aus den Bildern heraus. Der Blick gleitet in den Himmel.

 

Das Auge flüchtet, das Denken auch?" Der Fotograf Karl Hugo Schmölz vor dem Hintergrund seines Metiers als Werbe-und Architekturfotograf, wertete nicht.

 

 

Die Arbeit mit dem Hingucken

Die Künstlerin überrascht die Präzision und Schönheit in der Photographie, in der zerbombte Gebäude im schönsten Mittagslicht eines Sommertages wie stolze Ruinen einer Hochkultur erscheinen. Bildaufbau, sitzende Figuren, mehrere Bildebenen mit Intensitätsstufen vom Vordergrund bis hin zum Hintergrund erscheinen wie gerade aus der Hochromantik entstiegen. "Die Perfektion und Distanz, fast erhaben angsichts totaler Zerstörung ist mir als 60iger- 70iger Jahre Kind unheimlich." Aber ihre Verwunderung gemischt mit Irritation waren für sie wichtig, um die Qualitäten dieser Photographie zu entdecken. Die Künstlerin machte Vergrößerungen von Bilddetails, wählte zunächst gezielt Einzelmotive als Ausschnitte zur Weiterverarbeitung, seziert, koloriert oder trennt Gebäudeansichten vom Himmel. Sie selektiert selektierende Wahrnehmung und gerät dabei in einen Gefühls- und Gedankenstrudel von Erinnerungsarbeit nicht miterlebter Geschehnisse. Die Installation gewinnt an Form durch diesen Prozess der Wechselwirkung.