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Eröffnung der Ausstellung, "Zweiraum",
(Atelier La Girafe, Berlin, am 23.06.2001) von Thilo Billmeier, (Textauszüge) |
Susanne Pomrehn zeigt eine
vielteilige Serie von Zeichnungen und Collagen, die sich im unteren Ausstellungsraum
fortsetzt, und eine Reihe von einzelnen Papierarbeiten. Alle Arbeiten, so scheint
mir, sind stark gedanklich geprägt. Der Zug von Inhaltlichkeit drückt
sich in der Verwendung von Zeichen aus, die sich sprachlich, als entzifferbare
Stücke eines Textes begreifen lassen.
Das Denken hat seinen Fokus dabei außer den
Bildern, er liegt nicht "ikonisch" in ihnen, sondern"literarisch"
ihnen gegenüber. Die thematischen Felder, um die es geht, sind existenzielle
Konfliktsituationen, Verletzungen und ihre Verwahrungen, die Bereiche des Geschlechtlichen
und das Dunkel der Erinnerung. Die Bildmetaphern für diese "innenweltlichen"
Bereiche entstammen dabei dem leiblichen Sicherfahren. Ihm korrespondieren eigen
artikulierte, jedem Lyrizismus ganz ferne Momente von Intimität in den Darstellungsformen,
den Formaten, Materialien und Techniken. So beschrieben, werden vielleicht
die Spannungen benennbar, die Susanne Pomrehns Arbeit kennzeichnen und attraktiv
machen. Eine solche Spannung besteht im Verhältnis zwischen dem "konzeptionellen"
Zuschnitt der Arbeiten - das, was ich ihre Inhaltlichkeit nannte - und der Rolle,
die dem Eigensinn des Anschaulichen hier dennoch und nicht nebenher zukommt. |
Auf die Kombination beider
Momente kann die Serie von Collagen mit
der Fotografie eines Mädchens führen. Das Alter des Fotos legt
nahe, daß es sich bei dem Mädchen, das aus einer Gruppenaufnahme herausgelöst
erscheint, um die Künstlerin selbst handelt, und so ist es auch. Eincollagiert
finden sich Accessoirs, deren Formen aus anderen Erinnerungsfotografien stammen.
Die Zusätze in Farbe scheinen dem Unglück der Pubertät anempfunden,
jener Einsamkeit, die daher kommt, daß man sich nicht anders als in Phantasien,
Innenbildern, finden und ausdrücken kann. Das sechs mal wiederholte Bild
des Mädchens artikuliert diese Eingeschlossenheit in sich und macht ihren
Grund deutlich: das bloße Zwischen von Möglichkeiten zu sein, die man
alle nicht mehr oder noch nicht hat. Die Eindringlichkeit der Arbeit gründet
zum einen in der psychologischen Aufschlußkraft der erfundenen "Accessoirs",
zum ändern, und nur darauf möchte ich eingehen, in der sehr eigenenen
Perspektivverschränkung, die hier vollzogen wird. Das Verständnis, das
sich in der Arbeit ausdrückt, gilt ja einem Selbst, das man nicht mehr
ist: einem Anderen. Die Anteilnahme der Erinnernden verleiht hier der Erinnerten
sozusagen den Ausdruck, über den diese gerade nicht verfügt. Das geht,
weil man es selbst war, den man auf dem Foto sieht, und es geht auch nicht, weil
man es nicht mehr ist. Was in der Collage zur Sprache gebracht wird, ist in diesem
Sinne nicht nur das, was im strengen Sinne nicht zur Sprache gebracht werden kann,
sondern auch die Einsicht in diese Unmöglichkeit. Sie wird artikuliert in
der die Arbeit kennzeichnenden sachlichen Distanz des buchstäblichen "Sichvorstellens",
nämlich des Sichausdenkens und Sichausstellens. Die Distanziertheit der Darstellung
trägt einen eigenen Affekt,der nicht der der dargestellten Selbstwahrnehmung
ist: Das analytisch"Sichvorstellen"vermittelt die Trauer dessen, von
dem die Rede ist, mit der Trauer desjenigen, der nicht mehr mit ihm identisch
ist. |
Wenn
ich die Fotocollage als "Einführung" in die Frage herangezogen
habe, wie Susanne Pomrehn das "Anschauliche" mit dem "Konzeptionellen"
vermittelt, dann ist man einer Antwort damit wohl höchstens ein Stück
näher gekommen: Das
Anschauliche in der Arbeit entspricht dem "Gegenüber", das ihr
thematischer Gegenstand ist, es ist als solches Gegenüber emotionaler Anlaß
des bildlichen Formulierens und als gedanklich eingeholter Anlaß ist es
der Ort, an dem die Bilder ihren Ausdrucks- oder Affektwert gewinnen.
Das Ausdruckshafte, das Sichausdrücken muß eine grundsätzliche
Kategorie von Bildern sein, deren Gegenstand einem so "nahe" wie
nur möglich geht. Das "Sichvorstellen", von dem ich sprach, kann
deshalb auch den Charakter der persönlich adressierten Mitteilung annehmen...... |